Während des Shutdown in der TotalEnergies Raffinerie Mitteldeutschland in Leuna, Foto: TotalEnergies

Chemieindustrie in Sachsen-Anhalt warnt vor CO₂-Kosten-Schock

Die chemische Industrie in Sachsen-Anhalt schlägt Alarm: Ab 2026 drohen drastisch steigende CO₂-Kosten – mit potenziell fatalen Folgen für tausende Arbeitsplätze und die industrielle Basis des Landes.

„Das Problem müsste dringend auf europäischer Ebene gelöst werden, doch es passiert nicht. Man kann den Zusammenbruch live verfolgen“, warnt Christof Günther, Geschäftsführer der Infraleuna GmbH, Betreiberin des Chemieparks Leuna mit rund 12.000 Beschäftigten in über 100 Unternehmen.

Steigende Klimakosten: Der Emissionshandel als Belastungsprobe

Ursache der wachsenden Sorgen ist der europäische Emissionshandel (ETS), das zentrale Instrument der EU-Klimapolitik. Unternehmen müssen für jede ausgestoßene Tonne CO₂ ein Emissionsrecht erwerben. Die Zahl dieser Rechte wird stetig reduziert – der Preis steigt.

Das System gilt zwar als wirksames Klimaschutzinstrument: Seit seiner Einführung 2005 ist der CO₂-Ausstoß in der EU um mehr als 50 Prozent gesunken. Doch die Reform der kommenden Jahre sorgt für Unruhe:

Bisher erhalten energieintensive Branchen wie Chemie oder Stahl rund 80 Prozent der Zertifikate kostenlos. Ab 2026 soll diese Gratiszuteilung schrittweise enden – 2035 ganz auslaufen. Für viele Unternehmen wäre das ein herber Einschnitt.

„Das kommt einem Ausschalter für energieintensive Industrien gleich“, warnt Michael Vassiliadis, Vorsitzender der Industriegewerkschaft IG BCE. „Wenn Firmen abwandern, verliert die EU Jobs – und dem Klima ist nicht geholfen.“

Milliardenbelastung für Leuna und Co.

Nach den Energiepreisschocks der letzten Jahre steht die Branche vor der nächsten Kostenwelle:

  • +100 Millionen Euro für Gas
  • +80 Millionen Euro für Strom
  • +70 Millionen Euro für EU-Emissionsrechte
  • +170 Millionen Euro nationale CO₂-Abgaben

„Diese Belastungen haben unsere Wettbewerber in den USA oder Asien nicht“, kritisiert Günther.

Zum Vergleich: In der EU kostet eine Tonne CO₂ derzeit rund 75 Euro, in China etwa 10 Euro. Die USA haben keinen nationalen Emissionshandel.

Die Folge: Produktionskosten steigen, Margen sinken – und immer mehr Unternehmen denken über Verlagerungen nach.

Politik und Wirtschaft fordern Aufschub

Die Forderung aus Sachsen-Anhalt ist deutlich: Die kostenlose Zuteilung von Emissionsrechten müsse verlängert werden.

Auch Sachsen-Anhalts Wirtschaftsminister Sven Schulze (CDU) spricht sich dafür aus, „die Abschmelzung der kostenlosen Zuteilung vorerst auszusetzen und neu anzupassen“.

Unterstützung kommt aus Brüssel: Der CDU-Europaabgeordnete Peter Liese erwartet noch in diesem Jahr Vorschläge der EU-Kommission. Zwar werde der erste Schritt – eine Reduktion der Zuteilungen um 2,5 Prozent im Jahr 2026 – kommen, aber für die Jahre danach brauche es „tragfähige Lösungen“.

Exportwirtschaft droht ins Hintertreffen zu geraten

Die EU versucht, Wettbewerbsverzerrungen mit einem sogenannten CO₂-Grenzausgleich (CBAM) abzufedern. Importierte Produkte aus Ländern ohne vergleichbare Klimaregeln sollen dadurch verteuert werden.

Doch für Exporteure aus der EU bietet das keinen Schutz: Wer in Sachsen-Anhalt produziert und weltweit verkauft, muss mit höheren Produktionskosten leben – und verliert damit an Wettbewerbsfähigkeit.

„Viele Unternehmen konnten die gestiegenen Energie- und CO₂-Kosten bislang durch Effizienzsteigerungen kompensieren“, sagt Albrecht Schaper, Vorsitzender des Arbeitskreises Umwelt und Energie der IHK Magdeburg. „Wenn die CO₂-Preise weiter steigen, funktioniert das nicht mehr. Dann bricht uns der Export weg.“

Ein Standort am Scheideweg

Die Chemieindustrie in Sachsen-Anhalt steht damit vor einem Wendepunkt:
Zwischen Klimaschutz und Wettbewerbsfähigkeit droht ein Spagat, der ohne politische Kurskorrektur kaum noch auszuhalten ist.

Was als europäisches Vorzeigeprojekt im Klimaschutz begann, könnte für die Industrieregion Leuna-Schkopau-Böhlen zur Belastungsprobe werden – und zum Symbol für eine Energiewende, die Industrie und Arbeitsplätze gleichermaßen unter Druck setzt.

Falk Morgenstern

Einhub des 35-Megawatt-Elektrodenkessels – Meilenstein für Europas einzigartiges Power-to-Heat-Projekt in Leuna

Einhub des 35-Megawatt-Elektrodenkessels – Meilenstein für Europas einzigartiges Power-to-Heat-Projekt in Leuna

Am Chemiestandort Leuna wurde ein weiterer entscheidender Schritt auf dem Weg zur klimaneutralen Industrie erreicht: Mit dem erfolgreichen Einhub des 35-Megawatt-Elektrodenkessels hat das europaweit einzigartige Power-to-Heat-Projekt von InfraLeuna und 50Hertz einen zentralen Meilenstein gefeiert. Der Kessel, der künftig Strom aus erneuerbaren Energien in Dampf umwandeln wird, bildet das Herzstück der innovativen Anlage. Damit wird erstmals…

InfraLeuna-Geschäftsführer Dr. Christof Günther übernimmt Sprecherrolle im Chemienetzwerk CeChemNet

InfraLeuna-Geschäftsführer Dr. Christof Günther übernimmt Sprecherrolle im Chemienetzwerk CeChemNet

Leuna. – Das Netzwerk der ost- und mitteldeutschen Chemiestandorte, das CeChemNet (Central European Chemical Network), hat eine neue Stimme an seiner Spitze: Dr. Christof Günther, Geschäftsführer der InfraLeuna GmbH, wurde auf der Herbstsitzung in Schwarzheide zum neuen Sprecher gewählt. Er folgt turnusmäßig auf Patrice Heine, Geschäftsführer der Chemiepark Bitterfeld-Wolfen GmbH. Ein starkes Signal für den…

Energiepark Bad Lauchstädt auf der Zielgeraden: Grüner Wasserstoff wird Realität

Energiepark Bad Lauchstädt auf der Zielgeraden: Grüner Wasserstoff wird Realität

Ein weiterer Meilenstein für die Wasserstoffwirtschaft in Deutschland ist erreicht: Mit der Anlieferung der ersten Elektrolyse-Stacks schreitet der Aufbau des Energieparks Bad Lauchstädt zügig voran. In wenigen Monaten soll die 30-Megawatt-Anlage ihren Betrieb aufnehmen und erstmals klimaneutralen Wasserstoff im industriellen Maßstab produzieren. Das Reallabor, das künftig die TotalEnergies-Raffinerie in Leuna versorgen wird, zeigt eindrucksvoll, dass…

LEUNA – Transformation erfolgreich?

LEUNA – Transformation erfolgreich?

Ein Film von Anett Friedrich und Christoph Peters – Dokumentation – 90 Minuten Eigentlich könnte alles so schön sein Leuna steht heute für den größten zusammenhängenden Industriekomplex Ostdeutschlands – ein Symbol wirtschaftlicher Stärke, ein vermeintliches Erfolgsbeispiel der deutschen Einheit. Wie eine Fata Morgana einer glitzernden Metropole erscheinen die Lichter der gewaltigen Raffinerie im sonst flachen…

Neue Enlogic-Steckdosenleisten erweitern das Portfolio von May Distribution

Neue Enlogic-Steckdosenleisten erweitern das Portfolio von May Distribution

Die Berliner May Distribution stärkt ihr Angebot im Bereich professioneller Stromverteilung: Das Unternehmen nimmt ab sofort hochwertige Power Distribution Units (PDUs) der Marke Enlogic von nVent SCHROFF in sein Sortiment auf. Damit reagiert der Distributor auf die wachsende Nachfrage nach effizienten, skalierbaren und intelligenten Lösungen für Energieverteilung in Rechenzentren, IT-Infrastrukturen und industriellen Anwendungen. Zwei Produktlinien…