Vertreter des Verbandes der Chemischen Industrie (VCI), die am 27. September 2023 am »Chemiegipfel« im Bundeskanzleramt teilnahmen. Foto: Simone M. Neumann

Für den Standort Leuna bin ich voller Zuversicht

Interview mit Dr. Christof Günther, Geschäftsführer der InfraLeuna GmbH über Energie am Standort

Als Infrastrukturgesellschaft am Standort ist die InfraLeuna nicht nur für Straßen und Schienen verantwortlich, sondern auch für Wasser, Dampf und Strom. Wie hoch ist der Energiebedarf?

Der Strombedarf des Standorts entspricht ungefähr dem von zwei Dritteln aller Haushalte im Land Sachsen-Anhalt. Der Wärmebedarf ist zweieinhalb Mal so groß, wie die Fernwärme-Lieferungen sämtlicher Stadtwerke des Landes. Was Sie vielleicht irritieren wird: Unser Ziel ist es, dass der Energiebedarf künftig weiter wächst. Auf der einen Seite arbeiten wir natürlich daran, dass der spezifische Energiebedarf immer geringer wird – dass wir also mit unserer Produktion immer effizienter werden. Auf der anderen Seite möchten wir als Standort weiter wachsen und deswegen wird mit der Inbetriebnahme neuer Anlagen der absolute Energiebedarf des Standorts weiter ansteigen.

Nach dem deutschen Atomausstieg sollte Erdgas die erwartbaren Lücken in den erneuerbaren Energien ausgleichen. Was bedeuten knappes Gas und gestiegene Preise für den Standort?

Die stark gestiegenen Erdgaspreise sind eine große Belastung für die energieintensive Industrie in Deutschland. Die großen Einsparungen beim Erdgasbedarf seit Beginn des Ukraine-Krieges gehen auf die schlechte Auslastung der industriellen Produktionsanlagen zurück. Die Anlagen müssen aber ausgelastet sein und – damit sie effizient und wirtschaftlich sind – im optimalen Betriebspunkt laufen. Sie haben richtig gesagt: In den Planungen der Bundesregierung sollte Erdgas die Brücke zu den erneuerbaren Energien bilden. Das Erdgas steht dafür jedoch nicht zu den erforderlichen Konditionen zur Verfügung. Sämtliche Konzepte für die Energiewende, die alle von vor der Krise kommen, passen deshalb nicht mehr.

Beim »Chemiegipfel« mit Kanzler und Bundesregierung am 27. September in Berlin haben Sie sich für einen subventionierten Strom für energieintensive Industrien stark gemacht. Leider gab es keine konkreten Ergebnisse. Wie geht es weiter?

Jetzt steht am 16. November die Haushaltsbereinigungssitzung an und die Erwartung auf Industrieseite ist, dass bis dahin in der Koalition der Weg frei gemacht werden muss. Ich glaube, dass inzwischen alle verstanden haben, dass eine Entlastung der Industrie bei den Energiekosten notwendig ist. Und deshalb vertraue ich darauf, dass es eine Lösung geben wird.

Welche Lösung wäre die beste?

Aus Sicht der Industrie muss der Strompreis sehr schnell abgesenkt werden, um zumindest eine gewisse Atempause zu bekommen und die Anlagenauslastung zu verbessern. Man muss klar sagen: Die geopolitischen Krisen mit denen wir konfrontiert sind, sind politisch induziert. Die können wir auf einer betrieblichen Ebene weder lösen noch kompensieren. Das bedeutet ganz einfach, dass für ein politisch entstandenes Problem auch eine politische Lösung gefunden werden muss.

Am Rande einer Kabinettsitzung der Landesregierung am 17. Oktober formulierte Ministerpräsident Reiner Haseloff: »Im Kanzleramt ist man sich der Wirkung dieses Instruments nicht sicher«. Welche Zweifel gibt es?

Das Bundeswirtschaftsministerium ist schon seit längerer Zeit Unterstützer eines Industriestrompreises und auch die SPD-Fraktion im Bundestag ist überzeugt, dass das der richtige Weg ist. In der Ampel-Koalition ist aktuell nur noch die FDP dagegen und im Bundeskanzleramt gibt es nach meiner Einschätzung weniger Zweifel an der Notwendigkeit und an der Richtigkeit einer solchen Unterstützung. Man macht sich dort vielmehr Gedanken, ob durch diese Unterstützung der Ausbau erneuerbarer Energien verlangsamt wird oder Unternehmen partizipieren, die eine solche Unterstützung nicht benötigen. Allerdings sollte man hier darauf achten, dass zusätzliche Restriktionen der Wirksamkeit des Instruments im Wege stehen und die Abwicklung für alle Betroffenen sehr komplex und bürokratisch machen. Hier muss vor allem pragmatisch und schnell gehandelt werden.

Rechnen Sie damit, dass laufende Investitionen am Standort zurückgefahren werden oder Betriebe sogar abwandern?

Nein. An den laufenden Investitionen gibt es keine Abstriche. Die werden umgesetzt. Auch wenn verschiedene Bestandsanlagen aktuell schlecht ausgelastet sind, bin ich für den Standort Leuna voller Zuversicht. Er ist besser aufgestellt als viele andere. Das Problem, das wir haben, ist kein Standortproblem, sondern ein Problem der energieintensiven Industrien in Deutschland. Für diese brauchen wir eine politische Lösung.

Zu Beginn der Krise hat die Bundesregierung der Bevölkerung Empfehlungen gemacht, wie sie Strom sparen kann. Ist Stromsparen eine Option für den Standort? Oder anders gefragt: Was hat es mit dem Energieeffizienz-Netzwerk auf sich?

Hier in Leuna ist 2015 das erste Energieeffizienz-Netzwerk der deutschen Industrie gegründet worden. Alle großen Energieverbraucher des Standorts haben sich in dem Netzwerk zusammengeschlossen. Dieses arbeitet seit acht Jahren und wir haben große Erfolge erzielt, was die Einsparung von Energien angeht. Gemeint ist nicht nur die Einsparung von Strom und Erdgas, sondern auch von Dampf, Wasser, Kühlwasser, Druckluft und so weiter. Energieeffizienz ist hier am Standort seit jeher ein wichtiges Thema und alle Unternehmen haben Interesse daran, Energie so effizient wie möglich zu nutzen. Wenn man sich ansieht, wie unser Energiesystem hier funktioniert, mit der Integration von Abhitzedämpfen aus Chemieanlagen und der Abfallbehandlungsanlage, mit dem flexiblen Betrieb unserer Kraftwerksanlagen, dann haben wir hier ein Energiesystem, das vorbildlich ist.

Deshalb kann es aus meiner Sicht überhaupt keine Lösung sein, Strom zu sparen, indem wir weniger produzieren. Die Produkte werden benötigt. Wenn wir weniger produzieren, werden sie woanders hergestellt und das tendenziell in Ländern außerhalb Europas, die in der Energieeffizienz noch lange nicht das Niveau erreicht haben, das wir haben. Und das ist aus einer globalen Perspektive betrachtet natürlich kontraproduktiv. Deswegen sind Einsparungen, die mit Produktionsreduzierung einhergehen, schädlich – sowohl für den Standort Leuna und Deutschland insgesamt als auch aus einer klimapolitischen Perspektive.

Herr Dr. Günther, ich danke Ihnen sehr für das Gespräch.

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